Netzsperren im Kampf gegen Online-Piraterie

13.10.2022

Die Anonymität des Internets bietet bekanntlich das ideale Umfeld für Online-Piraterie. Rechteinhaber, die hiergegen vorgehen, kämpfen immer wieder mit langwierigen und kostenaufwändigen Verfahren, deren Ergebnis nicht selten überschaubar ist. Soweit es einem hartnäckigen Kläger gelingt, rechtswidrige Inhalte zu blockieren, können diese leicht wieder auftauchen – manchmal unter einer fast identischen Domain oder unter Verwendung eines neuen Hosting-Dienstes. Es gibt allerdings eine Maßnahme, die insoweit als äußerst effektiv gilt – sog. Netzsperren. Derartige Sperrverfügungen ermöglichen das Abschalten ganzer Internetseiten und werden als eine der wirksamsten Methoden zur Bekämpfung von Rechtsverletzungen im Internet angesehen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich unlängst erneut mit den Voraussetzungen für solche Anordnungen zu beschäftigen.

Netzsperren richten sich an Internetdienstanbieter (Internet Service Providers – ISPs). Diese können über Netzsperren verpflichtet werden, den Zugang zu bestimmten Websites zu sperren. Die betroffenen Diensteanbieter verweisen in der Regel darauf, dass der beste Weg zur Verhinderung von Rechtsverletzungen stets die Entfernung der Quelle ist. Sie argumentieren auch, dass die Blockierung von Website von versierten Nutzern leicht umgangen werden kann. Auch wenn diese Einwände teilweise zutreffen mögen, sind Netzsperren im Grundsatz eine effektive Maßnahme, um Rechtsverletzungen dauerhaft Einhalt zu gebieten. Dies gilt insbesondere, wenn es schwierig ist herauszufinden, wer die Website betreibt oder wenn die Website aus bestimmten Jurisdiktionen heraus betrieben wird.

Wegweisend: EU-Durchsetzungsrichtlinie

Das Konzept der Netzsperren ist nicht neu. Eine breite öffentliche Aufmerksamkeit erlangten sie 2014, als die EU-Durchsetzungsrichtlinie verabschiedet wurde. Die Richtlinie erlegt den EU-Mitgliedstaaten auf, Rechteinhabern ein schnelles gerichtliches Verfahren zum Vorgehen gegen Intermediäre von Urheberrechtsverletzungen bzw. entsprechenden verwandten Schutzrechten zur Verfügung zu stellen. Gerichte in vielen EU-Mitgliedstaaten haben seitdem Netzsperren stattgegeben. Die Fälle betrafen jeweils Internetangebote, die im Kern ein illegales Geschäftsmodell betrieben, welches zu strategischen Urheberrechtsverletzungen führte. Doch auch außerhalb der EU ist das Konzept der Netzsperren bekannt. So haben diverse Staaten in den letzten Jahren Gesetze zur Bekämpfung von IP-Verletzungen durch ISP-Blockierung verabschiedet, die auch Netzsperren vorsehen – zum Beispiel Norwegen oder Australien.

BGH 2015: Hohe Anforderungen für Netzsperren

Die ersten Fälle zu ISP-Sperranordnungen wurden vom BGH im Jahr 2015 entschieden. Der Bundesgerichtshof entschied seinerzeit in zwei Fällen (I ZR 3/14 and I ZR 174/14). Die Verfahren waren von der Verwertungsgesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) eingeleitet worden, die in einem Verfahren auch als Klägerin auftrat. Zur Überraschung vieler Experten entschied das Gericht, dass Netzsperren auch in Deutschland ein probates Mittel zum Vorgehen gegen Online-Piraterie sind. Allerdings legten die Richter die Messlatte höher als in anderen Ländern. So können Internetdiensteanbieter zwar grundsätzlich zur Sperrung von Webseiten verpflichtet werden, die illegale Downloads anbieten. Dies gilt aber nur, soweit der Rechteinhaber vorab relevante Anstrengungen unternommen hat, mit alternativen Maßnahmen gegen die Rechtsverletzung vorzugehen. Darüber hinaus muss der Kläger darlegen, dass die angegriffene Website mehr illegale als legale Inhalten anbietet. Als Teil der alternativen Maßnahmen erachtete es das Gericht als notwendig, dass der Kläger umfangreiche Nachforschungen anstellt. Auf der Basis dieser Grundsätze wies das Gericht die Klagen zum damaligen Zeitpunkt ab.

BGH 2022: Nachrangige Haftung bestätigt

Kürzlich wurde Deutschlands oberstes Zivilgericht erneut zu Netzsperren befragt (Urteil vom 13. Oktober 2022, I ZR 111/21). Die Richterinnen und Richter des BGH bestätigten in ihrem Urteil die Grundsätze aus dem Jahr 2015. Sie präzisierten jedoch die Anforderungen, die Rechteinhaber erfüllen müssen, um erfolgreich eine Netzsperre zu beantragen. Das Gericht stellte fest, dass die Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Betreiber der Website oder den Hostprovider vorrangig sei, bevor rechtliche Schritte gegen Internet Service Provider eingeleitet werden können. Zudem genügt es nicht, wenn gegen diese nur außergerichtlich Ansprüche erhoben werden. Vielmehr müssen diese auch gerichtlich verfolgt werden. Letzteres gilt indes nur, soweit die jeweils berufene Rechtsordnung hierfür wirksame prozessuale Maßnahmen vorsieht. Diese müssen zudem in einem zeitlich angemessenen Rahmen durchsetzbar sein.

Das Urteil zeigt, dass Netzsperren in Deutschland weiterhin bestimmten Fallkonstellationen vorbehalten bleibt. Angesichts der vom Gericht konkretisierten Voraussetzungen sind weiter Zeit und relevante finanzielle Mittel aufzuwenden, um das scharfe Schwert der Netzsperre in Anspruch nehmen zu können. Rechteinhaber müssen daher hartnäckig bleiben oder alternative Maßnahmen in Betracht ziehen, um gegen entsprechende Verstöße vorzugehen.