EuGH entscheidet zur Beweislast bei Nichtbenutzung

14.03.2022

Der Gerichtshof der Europäischen Union („EuGH“) hat die für Marken-Verfallsverfahren in EU-Mitgliedsstaaten geltenden Beweislastregeln klargestellt. Die Richterinnen und Richter des EuGH urteilten, dass in nationalen Löschungsverfahren betreffend die Nichtbenutzung einer Marke die für EU-Verfahren geltenden Vorgaben anzuwenden sind. Daher trifft einen Markeninhaber die volle Beweislast für die rechtserhaltende Benutzung seiner Marke. Entgegenstehende oder dies einschränkende nationale prozessuale Regeln sollen nicht zur Anwendung kommen.

Das Urteil vom 10. März 2022 (Aktenzeichen: C-183/21) ist im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens ergangen. Es basiert auf einer Vorlage des Landgerichts Saarbrücken und betrifft die Auslegung der Art. 12 (1) der Richtlinie 2008/95/EC sowie Art. 16, 17, 19 der Richtlinie (EU) 2015/2436, die jeweils die Voraussetzungen für die rechtserhaltende Benutzung von eingetragenen Marken betreffen. Die deutschen Ausgangsfälle betrafen zwei gegen deutsche Marken gerichtete Verfallverfahren. Die in Saarbrücken zuständigen Richterinnen und Richter verwiesen in ihrem Vorlagebeschluss auf widersprüchliche Aussagen des Bundesgerichtshofs („BGH“) sowie des EuGH zu den anwendbaren Prozessregeln. Im Hinblick auf den EuGH bezog sich die zuständige Kammer insbesondere auf die Ferrari-Entscheidung des EuGH vom 22. Oktober 2020 (Aktenzeichen: C-720/18, C-721/18).

Widerspruch zwischen EU-Recht und nationalem Recht

Anders als in Verfahren vor dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum („EUIPO“) erlegt die etablierte deutsche Rechtsprechung dem Antragsteller eines Löschungsverfahrens wegen Nichtbenutzung auf, bei Antragstellung eine erste Faktenbasis für eine fehlende rechtserhaltende Benutzung der angegriffenen Marke zu liefern. Dies setzt voraus, dass der Antragsteller gewisse Ressourcen nutzt und einen ersten Beleg für eine Nichtbenutzung beibringt. Wenn diese Erstsubstantiierung durch den Antragsteller erfolgt ist, geht die Beweislast auf den Markeninhaber über. Dieser muss sodann die rechtserhaltende Benutzung anhand der dafür geltenden prozessualen Vorgaben vortragen und beweisen. Diese Art der Beweislastverteilung verstößt nach Ansicht des Landgerichts Saarbrücken gegen die in der Ferrari-Entscheidung des EuGH festgehaltenen prozessualen Vorgaben.

EuGH: Entgegenstehendes nationales Recht nachrangig  

Der EuGH hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass die in dem Ferrari-Urteil erläuterten Grundsätze zur prozessualen Beweislastverteilung auch für die in den EU-Mitgliedsstaaten durchgeführten Verfallsverfahren gelten. Eine nationale Prozessvorschrift, welche dem Antragsteller eine erste Konkretisierung der Nichtbenutzung fordert, gehe über die reine Darstellung der Fakten des Falles hinaus. Es verlange dem Antragsteller praktisch ab, vorzutragen und zu beweisen, dass eine Benutzungsrecherche durchgeführt worden sei und keine Belege für eine rechtserhaltende Benutzung ersichtlich waren. Eine entsprechende, dies vorgebende nationale Prozessvorschrift führe im Ergebnis dazu, dass die Beweislast teilweise dem Antragsteller aufgebürdet werde. Dies sei nicht mit Art. 19 der Richtlinie (EU) 2015/2436 vereinbar. Aus diesem Grund müssen anderslautende nationale Vorschriften der EU-Mitgliedsstaaten insoweit zurücktreten.

EU-Mitgliedsstaaten können Regeln gegen Missbrauch vorsehen  

Das deutsche Gericht hatte in seiner Vorlage an den EuGH Bedenken geäußert, dass die auf EU-Ebene geltende Regelung zu einem Missbrauch der Verfallsverfahren führen könne. Zudem könne der Markeninhaber dadurch gezwungen werden, Geschäftsgeheimnisse offen zu legen. Der EuGH griff diese Bedenken auf, brachte jedoch zum Ausdruck, dass diese Einwände der Anwendbarkeit der EuGH-Grundsätze nicht entgegenstehen. Der deutsche Gesetzgeber könne diese Risiken vielmehr durch entsprechende Vorgaben eindämmen. So sei es möglich, durch eine entsprechend ausgestaltete Kostenerstattungsregel oder die Gebührenregel für die Einleitung eines solchen Verfahrens gewisse Hürden gegen Missbrauch aufzustellen.