Edelsandale ≠ Urheberrechtsschutz?

Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) zu einigen Schuhmodellen von Birkenstock hat medial hohe Wellen geschlagen. Im Kern ging es in den Entscheidungen um die Frage, ob einige der ikonischen Modelle von Birkenstock als urheberrechtlich geschützte Werke dem langen Schutzzeitraum des UrhG unterliegen. Die Richter haben dies unter Verweis auf die Funktionalität des Fußbetts sowie anderer Elemente der Birkenstock-Sandalen im Ergebnis verneint. Das Votum der BGH-Richter sollte jedoch nicht missverstanden werden, denn Rechteinhabern bietet sich gegenüber Nachahmern von Originalprodukten ein ganzes Potpourri von Möglichkeiten, um gegen Imitationen vorzugehen.

1. Hintergrund des Rechtsstreits

Birkenstock hatte Nachahmer seiner Schuh-Modelle Madrid, Arizona, Boston und Gizeh auf Unterlassung in Anspruch genommen:

Der Schuhhersteller stützte sich in den Verfahren ausschließlich auf das UrhG. Ist ein Produkt urheberrechtlich geschützt, besteht der Schutz die komplette Lebenszeit des Urhebers sowie 70 Jahre nach dem Tod des Schöpfers (70 Jahre p.m.a.).

Das Landgericht Köln, das in 1. Instanz zuständig war, hatte Ansprüche auf der Basis von Urheberrecht bejaht und gab Birkenstock in allen drei Verfahren Recht. Das Oberlandesgericht Köln hob die Urteile sodann auf. Es sah die Gestaltung der Schuhmodelle als überwiegend funktional-technisch bestimmt und damit nicht schutzfähig an. Dem schloss sich nun der BGH mit seinen Urteilen vom 20. Februar 2025 an. Die Richter führten für die drei parallel geführten Revisionsverfahren aus, dass die konkret zu beurteilenden Birkenstock-Modelle keine urheberrechtlich geschützten Werke der angewandten Kunst sind (Urteile vom 20. Februar 2025 – Az. I ZR 16/24, I ZR 17/24 und I ZR 18/24).

2. Rechtlicher Maßstab: Gestaltungshöhe & Gestaltungsspielraum

Der BGH betonte in seinen Urteilen, dass für Werke der angewandten Kunst – zu denen die Sandalen zählen – eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe erforderlich ist, um den Urheberrechtsschutz zu bejahen (§ 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG). Es muss eine persönliche geistige Schöpfung mit erkennbarer Individualität vorliegen. Urheberrechtsschutz setze daher voraus, dass ein gestalterischer Freiraum besteht und in künstlerischer Weise genutzt worden ist.

Ein derartiges freies und kreatives Schaffen ist ausgeschlossen, soweit technische Erfordernisse bzw. sonstige Regeln und Zwänge die Gestaltung vorgeben. Rein handwerkliches Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente kann keinen Urheberrechtsschutz begründen. Wesentlich für die ablehnende Bewertung der BGH-Richter war, dass die Gestaltung der Birkenstock-Sandalen durch technische, ergonomische und orthopädische Zwänge bestimmt sei. Dies gelte etwa für die Fußbettform, die Riemenführung und das Schnallendesign. Der kreative Spielraum sei für die Urheber dadurch stark eingeschränkt gewesen. Birkenstock konnte sich hingegen mit seiner Argumentation der außergewöhnlichen Gestaltung der Schnallen, Sohlenbeschichtung aber auch der Riemenführung als eigenständigen künstlerischen Ausdruck und den Verweis auf BGH-Entscheidungen zu Designklassikern nicht durchsetzen.

3. Was bleibt vom BGH-Urteil „Geburtstagszug“?

Wenngleich die Bewertung der Schöpfungshöhe im Urheberrecht seit jeher stark von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist, hat die BGH-Bewertung in ihrer Reichweite überrascht. Im Jahr 2013 hatte der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zu Werken der angewandten Kunst geändert und die bis dahin insoweit geltende höhere Schwelle für die erforderliche Schöpfungshöhe im Urteil „Geburtstagszug“ abgesenkt (BGH, Urteil vom 13.11.2013 – Az. I ZR 143/12). Gleichwohl gingen die Richter in den vorliegenden Entscheidungen davon aus, dass für die Bejahung des Urheberrechtsschutzes ein recht hoher Maßstab anzusetzen ist. Es liegt auf der Hand, dass rein handwerkliche Gestaltungen nicht ausreichen können, wenn keine eigenständige, über die Funktion hinausgehende künstlerische Individualität erkennbar ist. Trotzdem ist angesichts der oberen Schuhform (Schnallen/Riemen/Zuschnitt Schuh) und unter Berücksichtigung der zu anderen Design-Klassikern ergangenen Entscheidungen fragwürdig, ob das Design tatsächlich überwiegend auf Funktion fokussiert bzw. bekannte Gestaltungsformen adaptiert.

4. Konsequenzen für Rechteinhaber

Die Urteile zeigen, dass die alleinige Berufung auf Urheberrechtsschutz bei Werken der angewandten Kunst jedenfalls dann mit einem Risiko verbunden ist, wenn für das Produkt noch keine belastbare Rechtsprechungslinie zum Bestehen des Urheberrechtsschutzes existiert. Nur wenn ein Design künstlerisch stark individualisiert ist bzw. ein Verweis auf funktionale Gründe für die Gestaltung ausscheidet, lohnt sich das Nachdenken über eine Berufung auf Urheberschutz. Andernfalls sind eingetragene Marken, ein Design/Unions-Geschmacksmuster oder das Wettbewerbsrecht (UWG) in der Regel die belastbarere Basis für die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Nachahmern.